Sonntag, 11. Dezember 2011

Revolution! Revolution!

Nachdem ich eine Weile damit gewartet habe (oder einfach keine Zeit hatte), denke ich dass es nun doch an der Zeit ist, (m)einen Eindruck von den Wahlen und den Vorgängen im Land, bzw. in Moskau wiederzugeben.

Wer sich ein bisschen für Russland interessiert, wird mitbekommen haben, dass am letzten Sonntag die Duma-Wahlen stattgefunden. Wie erwartet ist Edinnaja Rossija (EdRo), die „Partei Putins“ (hier auch Partei der ‚Räuber und Diebe’ genannt), stärkste Kraft geworden, wie erwartet fanden massenhaft Wahlfälschungen statt, um dieses Ergebnis zu bekommen – aber was keiner erwartet hat: Das Volk erhebt sich seit nunmehr einer Woche lautstark und in großen Mengen gegen diese „Wahlen“ (ja, hier werden sie oft nur noch als „sogenannte Wahlen“ bezeichnet) und den Betrug!

Vielleicht sollte ich von vorne anfangen: die Wahlen am Sonntag wurden zwar u.a. von unabhängigen Wahlbeobachtern verfolgt, sodass der Ablauf erstmal relativ sauber war. So sehr, dass in einigen Bezirken "EdRo" nach den Exit Polls sogar nur auf knappe 20% kam. Am nächsten Morgen aber hatte "EdRo" ca. doppelt so viele Stimmen. Der Mechanismus ist denkbar einfach: nach Schließung der Wahllokale wurden die Stimmen zwar ordnungsgemäß ausgezählt, als die Wahlbeobachter weg waren, wurde jedoch die ganze Nacht über die Stimmen neu aufgeteilt. Und wenn dabei nicht aufgepasst wurde, kamen so wundersame Ergebnisse wie 140% Wahlbeteiligung insgesamt zusammen.

Vielleicht sind es diese drastischen Bilder, die die Dreistigkeit der Wahlfälschung illustrieren zusammen mit Medwedews Hundeblick, wen er treuherzig noch vor den Wahlen versicherte, dass „niemand zur Situation im Jahr 2007 zurückkehren würde“ (bezogen auf die vorgefallenen Wahlmanipulationen und –fälschungen) und dann mit ernstem Blick hinzufügt: „… denn wir haben ja jetzt 2011!“, die das Volk so derartig anfeuern. Ich weiß es nicht. Fakt ist aber, dass hier gerade einiges in Bewegung gerät.

Seit Montag sammeln sich Protestierende auf den Straßen um „die geklauten Wahlen“ zurück zu fordern. Viele Menschen fühlen sich betrogen und bringen dies auf der Straße zum Ausdruck. Überraschend ist hierbei das Ausmaß der Demonstrationen. Wenn ich noch vor Kurzem einen Artikel darüber gelesen habe, dass der Opposition der Rückhalt und die überzeugenden Anliegen fehlen, so zeigt sich in den letzten Tagen die Entstehung einer durchaus großen, bunt durchmischten Gruppe von Protestlern, die sich aus den unterschiedlichsten politischen Lagern zusammensetzt. Das erste Mal seit Jahren finden sich mehrere Tausend Menschen zusammen, um unter einem Motto – gegen die Regierung – zu demonstrieren. Normalerweise nehmen an solchen Protestveranstaltungen wohl nur eine Hand voll Leute teil, die, noch dazu, sogleich von den Sondereinheiten der Polizei auseinandergetrieben werden. Dieses Jahr ist es anders: die – sogar genehmigten – Demonstrationen zählen mehrere tausend Teilnehmer! Und die Proteste reißen nicht ab! Nach einigem Hin und Her wurde die großangelegte Demo diesen Samstag zwar vom Revolutionsplatz auf den „Sumpfplatz“ (Bolotnaja Ploschadj – ich weiß nicht, inwieweit man diese Wahl der Administration als „sprechenden Namen“ verstehen soll?!) verlegt, allerdings wurde die zugelassene Teilnehmerzahl von ursprünglich 300 (!) auf 30.000 (!!!) erhöht.

Im Internet werden Hinweise veröffentlicht, wie man sich als Demonstrant verhalten soll, was meine Rechte als Bürger der Polizei gegenüber sind und was im Falle einer Verhaftung (die nicht selten sind) zu tun ist, bzw., was man unbedingt vorsichtshalber mitnehmen sollte (u.a. dunkle Schokolade, ein extra Paar Socken, Taschentücher und für die Frauen Damenhygiene, Telephonnummern von Freunden/ der Botschaft und darauf achten, dass man noch ca. 100 – 200 Rubel auf dem Handy hat, zum Telephonieren, etc. …). Notwendige Tips in Anbetracht der zahlreichen Festnahmen (an die 600, darunter bekannte Kreml-Kritiker) … Außerdem sollen sich an die 20.000 Soldaten aus dem ganzen Land in der Stadt befinden – die Regierung scheint ziemliche Angst vor ihrem Volk zu haben … !

Ein weiteres interessantes Detail, ist der Fakt, dass die auf den Demos festgenommenen jungen Männer, die bisher noch nicht ihren Armeedienst abgeleistet haben, dazu gezwungen werden sollen, ihn als Strafmaß sofort zu verrichten. Damit gibt die Regierung indirekt zu, dass der Dienst in der vaterländischen Armee eine Bestrafung ist... Doch nicht nur das: Um die Teilnahme an den Demos zu verhindern, wurde vom Bildungsministerium urplötzlich eine verpflichtende Russisch-Prüfung für alle Oberstufenschüler am Samstag angesetzt.

Im Endeffekt finde ich es nur seltsam, dass der Regierung ihr Verhalten nicht selbst peinlich ist?! Anstelle die Wahlen zu annullieren und neue durchzuführen, den Protest und die eigene überführte Unrechtmäßigkeit anzuerkennen, hält die Regierungspartei an ihrem sogenannten Wahlsieg fest und hat auch noch die Dreistigkeit, ihn mit einem Konzert und der Losung „ein sauberer Sieg“ zu feiern!

Über so viel Schmerzlosigkeit kann man nur den Kopf schütteln – und den Protest unterstützen!

1 Kommentar:

  1. Yeah! ich freue mich sehr über diesen blogbeitrag!
    was für einen eindruck hast du über die öffentliche berichterstattung (Fernsehen, Radio)?

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