Sonntag, 4. Dezember 2011

Passierschein A 38


In letzter Zeit fällt mir die russische Bürokratie immer wieder auf die Füße und ich fühle mich zeitweise tatsächlich wie Asterix oder Obelix, die im Irrenhaus den „Passierschein A38“ suchen müssen ...

Perfektes Beispiel dafür war mein Besuch in der MGU. Da die russische staatliche Universität eine durchaus bekannte Einrichtung ist und man aber natürlich auch hier nur mit „propusk“ (einem Einlass-Schein) und als Begleitung eines dort wohnhaften Studenten hereinkommt, dachte ich mir dass ich die günstige Verbindung von a) der Nähe der Uni zu meiner Wohnung und b) meine Bekanntschaft zu einer Studentin dort nutzen müsste, um mir dieses altehrwürdige Gebäude mal von innen anzusehen. Gesagt – getan.

Der Weg war zwar schnell gefunden, da man aufgrund der Größe des Gebäudes tatsächlich nur der in den Nebel ragenden Spitze der Universität folgen muss. Schwieriger gestaltete sich hier schon der genaue Treffpunkt … denn ein großes Gebäude hat natürlich auch viele Eingänge. Und von diesen, sagen wir mal, 10 Türen, sind vielleicht nur zwei geöffnet. Und genau die gilt es zu finden!

Nach etlichen Telephonaten konnte ich also meine Kontaktperson ausfindig machen und einen ersten Schritt ins Gebäude wagen – der natürlich nach dem zweiten Schritt schon wieder von einem Metallenen Drehkreuz gestoppt wurde. Aber ich hatte ja meine MGU-Freundin dabei! Mit ihrem Studentenausweis wurde ich eingelassen. Dann gings auf zum nächsten Schalter, um den nächsten Einlass-Schein zu bekommen. Meinen Pass hatte ich vorsichtshalber eingesteckt – die Hürden, die es zu überwinden gilt, um in russische Lehreinrichtungen zu gelangen, kannte ich ja schon aus Ufa. (Umso seltsamer dafür, dass ich heute zu den Interview mit dem Weingartner in die „Kinoschule“ ganz ohne Probleme und ohne Wachmann am Eingang `reinkam….!!)

Nach diversen Metalldetektoren und Papier- und Passkontrollen waren wir dann irgendwann im Gebäude und konnten uns frei bewegen. Aber auch das gestaltete sich nicht als ganz so einfach, denn das riesige Gebäude ist einfach unüberschaubar. Hinzu kommt, dass man nicht etwa in einen Fahrstuhl steigen und die mindestens 30 Etagen des Gebäudes hochfahren kann. Nein, man muss nach ca. 8 Etagen umsteigen, denn die Fahrstühle decken immer nur eine gewisse Anzahl von Stockwerken ab… Es gibt sogar richtige Schemen, auf denen angegeben ist, in welchen Fahrstuhl man wechseln muss… und, auch wichtig zu bemerken: die Lifte arbeiten nur bis 22h! Ich weiß zwar nicht, ob da irgendwo ein Männchen sitzt und die Hebeseile herauf- und herunterkurbelt oder warum sie sonst abgestellt werden, aber so steht es zumindest auf den Täfelchen an der Wand…

Bis in die 23. Etage haben wir es zumindest geschafft, weiter ginge s aus mir unbekannten Gründen nicht. Von hier aus hatten wir aber auch schon einen wunderbaren Blick auf die Stadt. Und als wir eben diesen aus den Fenstern einer der Lehrsäle genossen, fiel uns eine weitere kleine Besonderheit auf: die Türen der Klassenräume waren von innen mit einem Gitter versperrt! Als wollte man die Studenten daran hindern, während des Unterrichts wegzurennen. Eine gruselige Vorstellung….

Aus Angst, selbst in den Räumen eingeschlossen zu werden, verließen wir also den Teil des Gebäudes und machten uns auf zu den Zimmern im Wohnheim, um den Tag beim gemeinsamen Kochen und Essen gemütlich ausklingen zu lassen. Auch hier wieder dieselbe Prozedur: Umsteigen bei den Fahrstühlen und mehrmaliges Vorzeigen von Pass und Passierschein an mehreren Drehkreuzen.

Der Rest des Abends verlief ohne weitere Vorkommnisse und näherte sich seinem letzten Höhepunkt, als es darum ging, das Gebäude wieder zu verlassen. Eigentlich erinnere ich mich an Wege, die ich schon einmal gegangen bin vom Ansehen her, ohne Probleme. Aber dies sollte mir hier nicht viel nützen. Denn da die Tür, zu der wir hereingekommen waren –überraschenderweise- verschlossen war, mussten wir einen klitzekleinen Umweg gehen. Mit andern Worten, wir sind das gesamte Gebäude einmal umrundet. Zumindest kam es mir so vor. Wir sind etliche Treppen rauf und runter gelaufen, über meterlange Korridore, durch Türen raus und wieder rein ins Gebäude, vorbei an Kiosken und Klamottengeschäften (ja!, das gibt es alles im Gebäude der MGU!!! Eine eigene kleine Stadt) um dann nach gefühlten Stunden an irgendeinem Ausgang anzukommen, durch den wir angeblich anfangs herein gekommen waren. Wenn wir nicht eine Studentin dabei gehabt hätten, die uns den Weg gezeigt hat, hätte ich vermutlich irgendwo auf dem Flur der MGU übernachten müssen … Den Passierschein in die Uni habe ich zum Andenken an diesen Abend aufgehoben.

Doch nicht nur die MGU, mit ihrer riesigen Größe, kann solch ein Ausmaß an Verwirrung stiften. Heute, als ich Freunde im Studentenwohnheim der RGGU (russische staatliche humanistische Universität) besucht habe, bot sich mir ein ähnliches Spektakel. Todesmutig, aber mit der leichten Angst im Nacken, mich zu verlaufen, machte ich mich ganz allein auf den Weg ins Freie. Fahrstuhl und Flur erkannte ich wieder, aber dann wurde es knifflig, als ich im Hof des Hauses stand. Vor mir ragte ein meterhohes verschlossenes Metalltor auf. Weit und breit kein Mensch in Sicht. Ich erspähte ein Türchen, was zu einer Art Zollhäuschen führte, was wiederum am Ende eine Tür zur Straße hatte … die allerdings auch verschlossen war. Also probierte ich die nächste Tür, die sich mir bot und die wiederum ins Innere eines anderen Gebäudekomplexes führte. Hier saß zumindest ein Aufsichtsmann (Oxranik) den ich fragen konnte, wie man denn bitte „raus, auf die Straße kommt“? Er schickte mich zurück in den Hof und meinte ich solle in den Korpus gegenüber gehen, da wäre die Tür offen. Hm, also stand ich wieder im Hof. Fand aber glücklicherweise den anderen Eingang, den Weg in den Korpus und den Ausgang auf die Straße.

Von den zwei großen schweren Holztüren, die mich in die Freiheit entlassen sollten, war natürlich nur eine geöffnet…

1 Kommentar:

  1. hihi...das beschreibt es doch mal auf den punkt!
    erzähl mal was von deinem eindruck zu den wahlen..

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