Dienstag, 15. November 2011

so viel zum Thema "überraschend kritisch..."

Nachdem ich am Dienstag letzter Woche bei der bereits beschrieben Diskussion im Sacharow-Zentrum war, fing ich an, mich ein wenig für dieses Kulturzentrum zu interessieren. Und prompt stieß ich in dem Buch, das ich gerade lese und in welchem eine Korrespondentin der Moskauer Deutschen Zeitung anekdotenartig ihr erstes Jahr in Moskau beschreibt [danke Caro! ;)], auf besagte Kultureinrichtung. Hier musste ich erfahren, dass es durch einen Vorfall randalierender Ultraorthodoxer Christen zu trauriger Berühmtheit gelangte...

Im Jahr 2003 wurde hier eine Kunstausstellung mit dem Titel „Achtung, Religion!“ veranstaltet, die allein schon durch den Titel provozierte. Da man in Russland sehr oft in den Wohnungen Ikonen in den Zimmerecken sieht und nicht erst am vorletzten Wochenende in Wladimir und Susdal’ von orthodoxen Kirchen und Klöstern nahezu erschlagen wurde, -von den riesigen prunkvollen goldglänzenden Gebäuden hier in Moskau mal ganz abgesehen…- kann man sich vorstellen, dass das religiöse Empfinden (sei die Religion auch noch so halbherzig ausgelebt) doch noch um einiges empfindsamer ist, als vielleicht in Deutschland.

Die Exponate der Ausstellung behandelten wohl auf sehr provokante Weise das Thema Religion als kapitalistische Karikaturen, wie z.B. Mickey Maus als Jesus oder dem Coca-Cola-Schriftzug mit der Unterschrift „dies ist mein Blut“. Ich habe hier zu ein paar Bilder im Internet gefunden und hoffe dass ich keine Eigentumsrechte verletzte. Andererseits ist das blog ja nur eine private Angelegenheit, es sollte mir also keiner etwas anhaben können … hoffe ich!!

Die Ausstellung wurde jedenfalls ein paar Tage nach ihrer Eröffnung von russisch-orthodoxen Fundamentalisten gestürmt und die Bilder beschädigt bzw zerstört. Als wenn das nicht schlimm genug wäre, wurde nicht etwa die Eindringlinge strafrechtlich verfolgt, sondern die Veranstalter der Ausstellung, sprich: das Sacharow-Zentrum! Und zwar wegen "Schürens von nationalem und religiösen Zwists"... Einer der Anwälte des Zentrums war wohl eben jener besagte Aleksandre Podrjabinek, der auch bei der Diskussion letzten Dienstag auf der Bühne saß. Das Sacharow-Zentrum verlor den Prozess (natürlich) und wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Noch perfider als dieser Umstand ist jedoch der Fakt (wenn man Wikipedia glauben schenken darf) dass ein Duma-Abgeordneter, der gegen die Erhebung eines Strafverfahrens stimmte (insgesamt waren es nur 2!) und sich öffentlich dazu äußerte, wenige Zeit später in Moskau ermordet wurde…

Wessen Interesse nach dieser Geschichte geweckt ist, kann hier zwei Artikel über das Sacharow Zentrum nachlesen – sie sind auf Deutsch!

Der russische Sisyphus (DIE ZEIT)

Achtung, Religion!

Es sieht also so aus, als ob diese Kultureinrichtung seine Existenz immer sehr kapp am Rande eines Abgrundes fristen würde. Ein Grund mehr für mich dem Zentrum demnächst nochmal einen Besuch abzustatten!!

1 Kommentar:

  1. dieses gesetz, auf dessen grundlage das zentrum verurteilt wurde, ist doch noch nicht so alt oder? ich erinnere mich daran, dass das als einschränkung der versammlungsfreiheit kritiesiert wurde, habe aber von russischer seite noch nicht viel drüber gehört

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